Eine Soziologie vernetzter Medien verbindet
zwei Forschungsrichtungen: Soziologie und Medieninformatik. Die Soziologie
erforscht, wie Individuen der Gesellschaft handeln und kommunizieren.
Indessen die Medieninformatik interaktive und vernetzte Mediensysteme
entwickelt, damit Individuen medienvermittelt kommunizieren und handeln
können. Die Soziologie agiert überwiegend erklärend und
analysierend, indessen verfährt die Medieninformatik vorwiegend
gestaltend und konstruierend. Beide wissenschaftlichen Disziplinen verbindet
die Soziologie vernetzter Medien, indem sie die Zusammenhänge und
Wechselwirkungen der Informationstechnik einerseits und gesellschaftliche
Strukturen sowie soziales Handeln andererseits analysiert. Sie umfasst
die Folgen der Informationstechnik in den Gesellschaften und zeigt auf,
wie die rasche Entwicklung der Informationstechnik auf soziale Prozesse
wirkt. Dabei muss eine Soziologie vernetzter Medien berücksichtigen,
welche sozialen Folgen sowohl die modernen Computernetze als auch die
Anwendung der interaktiven Medien mit sich bringen. Insofern bietet
die Soziologie das Potential, sich mit konstruktiven Gesellschaftsanalysen
an der Veränderung und Entwicklung der computerunterstützten
Techniken zu beteiligen.
Die Grundlagen der informationstechnischen Vergesellschaftung
in vernetzten und interaktiven Medien sollen:
- die Bedeutung der computerunterstützten Kommunikation
für die Entwicklung von Gesellschaften darstellen
- Wechselwirkungen zwischen interaktiven Medien und
gesellschaftlichem Strukturwandel verstehen helfen
- unterschiedliche Medien im Hinblick auf Kommunikationsstruktur
und Funktion in ihren gesellschaftlichen Verwendungszusammenhängen
unterscheidbar machen
- soziale Netzwerke, die sich auf Informations- und
Kommunikationstechnik (IuK-Technik) stützen, als ein zentrales
Charakteristikum der sozialen Kontexte im Informationszeitalter darstellen.
- verständlich machen, dass Individuen während
computervermittelter Kommunikation reale Sozialbeziehungen eingehen
und nicht etwa bloß „virtuell“ kommunizieren, also
der „Möglichkeit nach“ bzw. „nicht wirklich“
miteinander kommunizieren, so wie es das Wort „virtuell“
oft unterstellt. Unabhängig vom Übertragungsmedium kommunizieren
Menschen miteinander – sie kommunizieren nie virtuell miteinander.
- klassische Begriffe der Soziologie in die computerunterstützten
Kommunikationsverhältnisse zwischen Menschen überführen.
Das Buch orientiert sich immer wieder an jenen
sechs aufgezeigten Punkten. Die jeweiligen Kapitel sorgen dafür,
aus ihrer jeweiligen Perspektive in das Themenfeld der Gesellschaft
und Informationstechnik einzuführen.
Kapitel 1 begründet im Abschluss eine Soziologie
vernetzter und interaktiver Medien. Um dies zu leisten, führt das
Kapitel zunächst in eine grobe Begriffsbestimmung des Medienbegriffs
ein. Im Anschluss folgt eine Begründung, warum es notwendig ist,
einerseits nach dem Bezug von der Soziologie zur Informationstechnik
zu fragen und anderseits den Bezug von der Medieninformatik zur Gesellschaft
darzustellen. Die Soziologie nahm sich der informationellen Medien bisher
in der Techniksoziologie und der Mediensoziologie an. Die techniksoziologische
Betrachtung hebt hervor, wie die Technik die Gesellschaft verändert.
Die mediensoziologische Betrachtung achtet darauf, wie die Kommunikationsverhältnisse
sich infolge der Medientechnik verändern. Beide Perspektiven werden
vorgestellt, um zu einer Soziologie vernetzter Medien zu kommen. Um
die interdisziplinäre Brücke zwischen Informatik und Soziologie
zu schlagen, wird ebenfalls die Informatik und die Medieninformatik
vorgestellt. Daran schließt sich in eine kurze Darstellung an,
die das Fachgebiet sowie die wissenschaftliche Betrachtungsweise von
„Informatik und Gesellschaft“ erläutert. Denn die Informatik
hat die eigenständige Disziplin „Informatik und Gesellschaft“
ausgebildet, um sich innerhalb des Fachs an vielfältigen Disziplinen
zu orientieren, in denen Menschen eine Rolle spielen. Das Kapitel schließt
mit einer Übersicht, welche Interdependenzen zwischen der Informationstechnik
und Gesellschaftsentwicklungen zu beachten sind.
Kapitel 2 gibt eine statistische Orientierung, wie
viele Individuen einen Computer bzw. das Internet in Deutschland und
in der Weltgesellschaft nutzen. Das Kapitel zeigt unterschiedliche Eckdaten
zu Informationsgesellschaften im internationalen Vergleich auf. Diese
Eckdaten sollen deutlich daran erinnern, dass nicht die ganze Weltgesellschaft,
sondern lediglich ca. 10 Prozent von ihr einen Zugang zum Internet haben.
Hinzu kommt die soziale Ungleichheit zwischen Arm und Reich, Gebildet
und Ungebildet sowie weitere Variablen, von denen ein Internetzugang
abhängig ist. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Betrachtung
des globalen E-Commerce und der globalen Politik in vernetzten Medien.
Kapitel 3 führt in die Frage ein, was eine Gesellschaft
ist. Jeder spricht von der Gesellschaft, aber gerade Soziologen haben
keinen eindeutigen Gesellschaftsbegriff. Das Kapitel stellt klassische
Gesellschaftsbegriffe vor und erläutert, was mit dem Begriff der
Vergesellschaftung gemeint ist. Der Begriff der Vergesellschaftung ist
für die Soziologie vernetzter Medien grundlegend, weil er aufzeigt,
wie Informationstechnik am Wandel gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse
beteiligt ist. Dieser Wandel der Gesellschaft infolge der Informationstechnik
wird mit drei klassischen, soziologischen Theorien aufgezeigt. Der Chronologie
der Veröffentlichungen folgend, wird die Theorie der Wissensgesellschaft
von Peter Drucker erläutert. Daran schließt sich das Konzept
der postindustriellen Informationsgesellschaft von Daniel Bell an. Den
Abschluss bildet die Theorie der informationellen Netzwerkgesellschaft
von Manuel Castells. Alle drei Theorien geben eine Antwort darauf, welcher
gesellschaftliche Wandel infolge der zunehmenden Verwendung von Informationstechnik
eingetreten ist.
Kapitel 4 führt in vier Grundbegriffe der Soziologie
ein und zeigt auf, wie sie in vernetzten und interaktiven Mediensystemen
ihre Beschreibungskraft behalten können. Der wichtigste Grundbegriff
der Soziologie ist das „soziale Handeln“. Im sozialen Handeln
beziehen sich Individuen aufeinander. Sie schreiben sich eine E-Mail,
eine SMS oder chatten. Soziales Handeln meint nicht, dass Individuen
nett zu einander sind. Auch jemandem Gewalt anzutun, ist soziales Handeln.
Der Begriff des sozialen Handelns ist vor allem dort interessant, wo
zu fragen ist, ob informationstechnische Systeme der künstlichen
Intelligenz handeln können und ob sie sogar sozial handeln können.
Der zweite Begriff betrifft die Identität von Individuen. Sowohl
informationstechnische Systeme als auch die flexibilisierte Informationsgesellschaft
stellen zunehmend den Individuen die Frage, worin ihre Identität
besteht und ob sie auch eine virtuelle Identität im Internet aufbauen
können. Mit dem dritten Begriffsfeld der Gruppe, der Community
und der sozialen Netzwerke wird ein wesentlicher Kern dieses Buches
angesprochen, da in allen Wissenschaftsgebieten diskutiert wird, ob
sich in vernetzten und interaktiven Systemen jene drei Sozialformationen
überhaupt ausbilden können. Der vierte Begriff der Macht beleuchtet,
wie in vernetzten und interaktiven Systemen diverse Machtstrukturen
vorkommen, die in der terrestrischen Lebenswelt der Menschen zum Alltag
gehören.
Kapitel 5 nimmt sich der Ethik und der damit verbunden
Frage an: Wie wollen wir mit vernetzten und interaktiven Mediensystemen
leben? Die Informations- und Kommunikationstechnik wirft viele entscheidbare
Fragen auf, wie unsere Gesellschaft mit sozialer Ungleichheit, Zensur,
Datenschutz, Kommerzialisierung und dem Urheberrecht umgehen soll. Diese
Fragen dürfen in einer Soziologie vernetzter Medien nicht fehlen,
weil sie die Grundlage der computerunterstützten Vergesellschaftungsformen
sind. Aus diesem Grund bemüht sich das Kapitel zur Ethik in multimedialen
Systemen ausführlich um die relevantesten Themenkomplexe.
(Beispiele aus
der soziologischen Beratung hier)
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