Zehn
funktionale Leitideen multimedialer Bildpragmatik Autor:
Andreas Schelske
[erschienen in: IMAGE 1: Bildwissenschaft als interdisziplinäres
Unternehmen - Eine Standortbestimmung] Schlagwörter:
Semiotik, Bildertrends, Bildtrends, Visuelle Soziologie,
Hypermediasysteme, Leitidee, Gehlen, Peirce, Habermas, ikonisches Wissen,
bildhaftes Wissen, dramaturgisches Handeln,
Bildfunktionalität Disziplinen:
Bildwissenschaft, Soziologie, Informatik, Semiotik,
Trendforschung Meine Frage lautet: Welche zehn funktionalen Leitideen
prägen die multimedial vermittelte Bildkommunikation in der
informationellen Netzwerkgesellschaft grundlegend? Einleitung Hypermediasysteme verändern gegenwärtig sowohl Bilder als auch das kommunikative Handeln von Individuen mittels Bildern. Beispielsweise erhalten Bilder durch Hyperlinks erweiterte Bedeutungen in der pragmatischen Zeichendimension. Oder sie präsentieren virtuelle Räume in denen Anwender mittels beweglicher und bildhafter Avataren (virtueller Stellvertreter) handeln. Solche bildhaften (Um- )Welten wurden in dem Bemühen erstellt, dass Anwender sowohl visuell kommunikativ auf das Bild reagieren als auch ihren bildhaften Avataren zusehen können, wie diese im Bild gestisch kommunizierend auftreten. Zudem werden Bilder ebenso bedienbar, wie wir eine Maschine bedienen, sofern sie in multimedialen Systemen als ein Interface der Rechenmaschine ihre Funktion erfüllen. Bisher betrachten Rezipienten die Bilder, jetzt müssen sie sie bedienen, um sie betrachten zu können. Diese Neugestaltung der Bildkommunikation möchte ich im Folgenden von einem kommunikationswissenschaftlichen und soziologischen Standpunkt betrachten. Meine Frage lautet: Welche zehn funktionalen Leitideen prägen die multimedial vermittelte Bildkommunikation in der informationellen Netzwerkgesellschaft grundlegend? Mit dieser bildsoziologischen Fragestellung folge ich Arnold Gehlen in seinem 1960 formulierten Bemühen, die Leitideen aufzuzeigen, mit denen Bilder in europäischen Gesellschaften ihre Funktion erfüllen (vgl. Gehlen 1986, 14ff). Gehlens Bestreben war es, Kategorien für historisch gewordene Bildrationalitäten anhand von gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen aufzuzeigen. Ich greife den Ansatz von Gehlen auf, übertrage ihn aber auf die Aufmerksamkeitsökonomie der informationellen Netzwerkgesellschaft, deren Produktionsverhältnisse in der Kommunikation selbst liegen. Die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse beeinflussen stets die Pragmatik von Bildern. Doch ist nicht mehr der ”Industriekapitalismus” für Bilder beherrschend, wie zur Zeit von Gehlens (1986, 14.) Analyse. In der Informationsgesellschaft basiert ein Großteil der Produktionsverhältnisse auf Kommunikation und Wissensmanagement. Die Produktion von Kommunikation bindet in den industrialisierten Staaten weit mehr Beschäftigte als die Produktion von materiellen Gütern. Aus diesem Grund scheinen multimediale Bilder weniger an Rationalität ausgerichtet, sondern verweisen auf andere Bilder oder Zeichen der Kommunikation. So ist der syntaktische Sinn der Form von Bildern ist an funktionalen Verweisstrukturen orientiert. Seine Rationalität besteht quasi in der Funktionalität. Mein Interesse ist es deshalb, die funktionalen Leitideen der heutigen Bildkommunikation in multimedialen Systemen anzugeben. Mit dem Begriff der Leitideen frage ich nach den technischen, funktionalen und semiotischen Kommunikationsverhältnissen, die die bildhaften Kommunikationsformen für sich vereinnahmen und ihnen Bedeutung in informationellen Gesellschaften verleihen. Das Interesse informationeller Gesellschaften an der multimedial vermittelten Bildkommunikation ist daher in seinen Ausprägungen zu skizzieren. Um die Fragestellung orientiert zu beantworten, verwende ich das von C.S. Peirce entwickelte, semiotische Koordinatensystem, deren drei Achsen mit der Syntaktik, Semantik und Pragmatik aufgestellt werden. Die gleich folgenden Definitionen der Semantik und Pragmatik werden dann zwei maßgebliche Ausgangskoordinaten bieten, innerhalb derer ich die multimedialen Bilder skizziere. Im Anschluss daran zeige ich innerhalb der semiotischen Koordinaten auf, welche funktionalen Leitideen sich auf die multimedial vermittelte Bildkommunikation auswirken. Zweifellos beschreibt die funktionale Analyse selbst etwas Veränderliches. Eine gewisse Stabilität kann deshalb lediglich dort vermutet werden, wo ”/.../ Einsichten um so größeren Erkenntniswert besitzen, je verschiedener die Sachverhalte sind, an denen sie bestätigt werden können.” (Luhmann 1987, 90) Arnold Gehlen (Zeitbilder 1972) beschrieb gesellschaftliche
Leitideen der historisch gewordenen Bildrationalitäten: • Ideelle und
vergegenwärtigende Kunst: religiöse und mythologische Malerei (bis 19
Jh.)
Funktionalität: ”Funktionale Analyse gibt keine Garantien, man kann lediglich vermuten, dass „Einsichten um so größeren Erkenntniswert besitzen, je verschiedener die Sachverhalte sind, an denen sie bestätigt werden können.” [N. Luhmann: Soziale Systeme 1987, 90]
Bild > Pragmatik + Semantik? 1.1. Pragmatik der Bedeutung: Vom pragmatischen Standpunkt aus gesehen, besteht die Bedeutung eines klassischen Tafelbildes darin, zu welchen kommunikativen Handlungen und Interpretation es ein Individuum motiviert. Ein Individuum lacht beispielsweise während der Bildbetrachtung, wodurch das Bild eine Bedeutung als scherzhafte Zeichnung erlangt. Diese Bedeutungsaktualisierung greift Peirce mit seiner pragmatischen Maxime auf. Für ihn heißt Pragmatik in verkürzter Form: Die Bedeutung von etwas ist der Begriff seiner Wirkung. (vgl.: Peirce 5.402 u. Schelske 2001, 150) Bilder in Computersystemen bieten zwei sehr unterschiedliche Wirkungen. Durch Computersysteme vermittelte Bilder wirken einerseits visuell kommunikativ und andererseits infolge einer algorithmisch festgelegten Interaktionsmöglichkeit. Die pragmatische Maxime für Bilder lautet: Die Bedeutung von Bildern in multimedialen Systemen ist der interpretierte Begriff, der infolge bildhafter Wirkung als auch infolge der Interaktionsmöglichkeit mit computergenerierten Bildern entsteht. Diese Definition unterscheidet zwischen den Bedeutungen, die ein Bild als visuelles Zeichen erhält und die es durch die algoryhtmische Verarbeitung eines Computersystems erhält. In Hypermediasysteme fungiert das Bild beispielsweise vielfach als Display. Oder ich steuere beispielsweise einen Avatar durch eine bildhaft dargestellte Welt auf meinem Bildschirm. Durch diese Bewegung des Avatars im errechneten Raum verändert das Computersystem ständig das für mich dargebotene Bild. Aufgrund visualisierter Zustandsänderung sehe ich mich als Anwender aufgefordert, die Wirkungen des Bildes unablässig neu zu interpretieren. Mich motiviert nicht nur das Bild zu einer Interpretation, sondern gleichfalls die Problemlösungswege (Algorithmen), die das Computersystem mir visualisiert darstellt. Dies geschieht beispielsweise während eines Computerspiels, sobald ich mit einem Avatar nicht durch bildhaft dargestellte Mauern navigieren kann. Ich interpretiere einen bildhaften Avatar zunächst nach seiner kommunikativen Bedeutung. Des Weiteren interpretiere ich ihn aber ebenfalls danach, welche spezifischen Positionen und Formen mit ihm im Bild auszuführen sind. Letztere Interpretationen erwirkt nicht das Bild, sondern die Programmierung des Computersystems. Die Bedeutung der Bilder in multimedialen Systemen geht deshalb über die visuelle Formation hinaus. Zur Bedeutung müssen die programmierten Möglichkeiten der Interaktion mitbedacht werden, um einen vollständigen Blick auf die Bildpragmatik zu erhalten. Was Bilder in multimedialen Systemen bedeuten, besteht dann darin, zu welchen Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Interpretationen und kommunikativen Akten es Anwender motiviert (vgl. Schelske 1997, 69). 1.2. Semantik als Bezeichnungsfunktion: Morris kreierte die Standarddefinition der Semantik. Die semantische Dimension des Zeichens thematisiert für ihn eine Beziehung des Zeichens zu seinem Objekt. In Anlehnung Bense u. Walter möchte ich unter dieser Beziehung des Zeichens zu seinem Objekt ausschließlich die Bezeichnungsfunktion des Zeichens verstehen (vgl. Bense, Walter 1973, 19, 88). Ich fasse also Semantik als eine Zeichendimension auf, die ausschließlich benennt, wie ein Zeichen etwas bezeichnet bzw. sich auf sein Objekt bezieht. Diese Bezeichnungsfunktion tritt bei Bildern auf, wenn unterschiedliche Betrachter in einem Bild beispielsweise halbwegs „übereinstimmend“ ein vierbeiniges Wesen visuell wahrnehmen, indessen sie unterschiedlichste Bedeutung interpretieren. Auch Computersysteme verarbeiten die semantische Bezeichnungsfunktion eines Bildes, wenn die Bildverarbeitungssoftware darauf reagieren kann, auf welches Objekte sich ein Bild bezieht. Wenn das Computersystem beispielsweise optische Informationen verarbeitet und erkennt, dass ein menschliches Gesicht auf einem Foto ist und daraufhin einen Namen anzeigt, dann hat das System die Bezeichnungsfunktion des Fotos erkannt, auch wenn der Name und damit eine gesuchte Bedeutung nicht korrekt ausgegeben wurde. Die Syntaktik als dritte Dimension eines bildhaften Zeichens lasse ich in meine Überlegungen unberücksichtigt, obwohl sie die Basis für visuell kommunikatives Handeln ist. Ich gehe als von folgender Unterscheidung aus: Pragmatik benennt das Zeichenhandeln, mit dem sich die Bedeutung eines Zeichens konstitutiert. Semantik benennt, wie bildhafte Zeichen sich mittels Bezeichnung auf ein Objekt beziehen. Die pragmatische Zeichendimension benennt die Interpretation der Bedeutung, indessen die semantische Zeichendimension die Interpretation der Bezeichnung thematisiert. Obgleich sich unterschiedliche Zeichendimension theoretisch unterscheiden lassen, lehrt die Praxis, dass Bilder notwendig in der syntaktischen, semantischen und pragmatischen Dimension decodiert werden müssen, um als Bild verstanden zu werden. 1.3. Von welchen Bildern ist die Rede? Multimediale Systeme machen ihrem Begriff ehre, indem ihre Dateneingabe- sowie Datenausgabe-Geräte fast alle Typen von Bildern ermöglichen: Film, Fotografie, 3D-Bilder, Diagramme, virtuelle Räume, Piktogramme, Hologramme, Simulationen usw. Solche oder andere Typologien der Bilder lassen sich nach unterschiedlichsten Kriterien entwerfen. Anhand der Abstraktionsgrade zeichenhafter Ähnlichkeit unterscheidet Strothotte beispielsweise präsentierende Bilder, Piktogramme und abstrakt graphische Bilder (vgl. Strothotte 1997, 57). Im Fortgang der Überlegungen möchte ich mich nicht auf Bild- Typologien festlegen, sondern kreuz und quer zu den Typologien von unterschiedlichen kommunikativen Merkmalen sprechen, die bildhafte Zeichen in ihrem gegenwärtigen Funktionswandel und Verwendungsweisen aufweisen (vgl. Scholz 1998). Im Allgemeinen erwirken Bilder zeitgleich als Zeichen und als Gegenstand ihre Bedeutung, obwohl menschliche Betrachter mitunter selten zwischen beiden Ursachen unterscheiden. Multimediale Systeme selegieren strenger, denn sie vermitteln ausschließlich Zeichen. Einige von diesen Zeichen können bildhafte Zeichen sein. Trotzdem sorgt die funktionale Leitidee der multimedialen Systeme dafür, Bilder in Kontexten zu verwenden, in denen ihre Bildhaftigkeit für den Anwender undeutlich werden kann. Beispielsweise ermöglichen perspektivisch exakte Bilder eine medienvermittelte „Fernsichtfunktion“, sobald sie in unbemannten Flugzeugen erzeugt werden und für deren Steuerung an anderem Ort verwendet werden. Werden solche Bilder in ein ”Head Mounted Display” (HMD) eingespielt, um sich dem natürlichen Grad des menschlichen Blickfeldes anzunähern, vervollkommnen solche bildhaften Umgebungen ihre bereits bekannte Funktion des medienvermittelten Sehens, nämlich ”Fern-Sehen”. Zudem erzeugen sie eine virtuelle Realität, die im Fall des unbemannten Flugzeugs nicht nur der Möglichkeit nach vorhanden ist – d.h. virtuell -, sondern nach unserm Alltagsbegriff von Realität tatsächlich aktual existiert. Dass Bilder an unseren zeichenhaft konstruierten Realitätskonzepten beteiligt sind, war jedoch zu keiner Zeit in der Geschichte der Bilder ungewöhnlich. Die zeitgenössische Bildfunktionalität verändert sich nicht hinsichtlich der Zentralperspektive, die als syntaktisch organisierter Realismus der Bilder weiterhin verwendet wird. Zweifellos gilt das Zeitinteresse an multimedialen Bildern sekundär noch dem Realismus, der als Bildform der Neuzeit seit der Renaissance über eine einzige Realität kommunizieren kann. Diese Bildformen im Realismus untermauerten Entdeckungen als dokumentiert Vorhandenes, Gegenwärtiges und Wiederholbares (vgl. Gehlen 1986, 15). Demgegenüber präsentieren multimediale Bildformen optionale Handlungsräume, deren mögliche Realitäten in Zeit und Raum flexibel auf die Bedürfnisse des medienvermittelten Sehens eingestellt werden können. Die Bildformen dokumentieren also nicht das Vorhandene, sondern sie folgen den pragmatischen Bedürfnissen nach der aktual sinnvollsten Orientierung. Nicht Wahrheit, sondern Sinn bietet handlungspragmatische Anschlussmöglichkeit. Beispielsweise operieren Neurochirurgen einen Hirntumor, indem sie mittels Tomographie-Aufnahmen des Gehirns unterschiedliche bildhafte 3-D-Modelle erstellen und diese als Handlungsräume verstehen, um die Bestrahlung im realen Hirn äußerst präzise zu steuern. Diese Bildfunktionalität am Beginn des 21. Jahrhunderts kommuniziert Optionen und Modelle potentiell möglicher Realitäten in bildhaften Handlungsräumen. Solche bildhaften Handlungsräume bieten Zeit und Raum als eine regulierbare Option der virtuellen Realität an. Wie sich die zeitgenössische Bildfunktionalität in Leitideen ausformt, zeigen folgende Überlegungen. Pragmatik der Bedeutungsfunktion Was Bilder in multimedialen Systemen bedeuten, besteht darin, zu welchen Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Interpretationen und kommunikativen Akten es Anwender motiviert. Bildquelle: http://www.velic.com/ Welche gesellschaftlichen Leitideen prägen die Bildfunktionalität? Begriff der Leitideen
fragt nach Frage: der multimedial
vermittelten Bildkommunikation aus? Daniel Bell unterscheidet: Informationsgesellschaft? Drei Phasen der
Menschheitsgeschichte: (D.Bell: Die nachindustrielle Gesellschaft 1973) Quelle: GeoServNet www.yorku.ca/esse/ Manuel Castells: Zum Schlüsselmerkmal der informationellen Gesellschaft gehört die Vernetzungslogik in ihrer sozialen und ökonomischen Grundstruktur. (vgl. Castells 2003, 22) Informationelle
Gesellschaft => Bildquelle: www.ilog.com/products/views/ Welche gesellschaftlichen Leitideen prägen die
Bildfunktionalität, mit der in multimedialen Systemen bildhafte Bedeutung
kommuniziert wird?
Zehn funktionale Leitideen der multimedial und interaktiv vermittelten Bildkommunikation Die Bildwissenschaften reagieren auf die kulturelle Evolution bildvermittelter Kommunikation langsam. Möglicherweise begründet sich diese verminderte Resonanz damit, dass die sogenannte „virtuelle Realität“ ihre Bildhaftigkeit verschleiert, obwohl sie sich gegenwärtig im visuellen Bereich ausschließlich aus Bildern aufbaut. In Anbetracht der sich verändernden Bildfunktionalität beginne ich im Folgenden, die semantischen und pragmatischen Zeichenebenen aufzuzeigen. Insbesondere hinsichtlich der Pragmatik zeige ich zehn Leitideen auf, die Bildfunktionalität in Hypermedia- und anderen Computersystemen prägen. Die zehn Leitideen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sie sind erweiterbar und können in vielen Fällen auf andere Bildstypen übertragen werden. Insofern verfährt der Autor des Textes in seiner soziologischen Betrachtung funktional – er probiert aus, welche wesentlichen Kommunikationsverhältnisse der gesellschaftlichen Bildpragmatik mit 10 Leitideen beschrieben werden können. Leitidee 1: Medienvermitteltes Sehen Sichtbarkeit gehört zu den Konstituenten der Bilder. Sichtbarkeit verortet Bilder in den Bereich der visuellen Kommunikation. Unsichtbare Bilder kommen für menschliche Individuen nicht als Kommunikation vor. Nicht-sichtbare Bilder kommunizieren indessen noch die Abwesenheit der visuellen Kommunikation als gerade noch bildhafte Kommunikation. Insofern war Sichtbarkeit die erste und wichtigste funktionale Leitidee für die visuelle Kommunikation mittels Bildern. Die zweite Leitidee beschrieb Paul Klee am Beginn des letzten Jahrhunderts. Ein ”Kunst[-werk] gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar”. (Klee in: Hess 1988, 131). Diese Sichtbarkeit einer Erkenntnis von etwas, das durch das Bild sichtbar gemacht wurde, folgt syntaktischen Darstellungs- und Erkennungscodes. Für diese bis heute gültige, zweite Leitidee lässt sich formulieren: Ein Bild präsentiert syntaktisch modellierte Sichtbarmachung (vgl. Faßler 2002, 80). Die neueren Entwicklungen der multimedialen Systeme lässt Bilder einer dritten Leitidee folgen, die auf den primären bzw. sekundären Leitideen der Sichtbarkeit bzw. des Sichtbarmachens aufbaut. Diese tertiäre Leitidee überführt Bilder in einen Verwendungskontext, in dem Bilder für medienvermitteltes Sehen der Anwender genutzt werden. Das einfachste Beispiel für medienvermitteltes Sehen zeigte schon das klassische Video Conferencing. Deutlicher wurde medienvermitteltes Sehen für die ferngesteuerte Drohne ”Predator” (Räuber) entwickelt, deren Echtzeitbilder während des Flugs von der terrestrischen Kontrollbasis als ”eyes in the sky” interpretiert werden. Die Drohne „Predator“ steht hier beispielhaft dafür, dass Bilder keineswegs nur sichtbar sein oder etwas sichtbar machen sollen. Die Drohne exemplifiziert die Leitidee, dass medienvermitteltes Sehen mittels Bildern raumunabhängiges Handeln ermöglicht. Als primäre Leitidee bleibt medienvermitteltes Sehen zweifellos darauf angelegt, mittels Sichtbarkeit visuell kommunikativ zu wirken. Ebenfalls baut medienvermitteltes Sehen auf der sekundären Leitidee auf. Deren Funktionalität besteht darin, etwas bisher Ungesehenes sichtbar zu machen. In der Funktionalität der dritten Leitidee erfüllen Bilder eine Pragmatik, deren Bedeutung sich konstituiert, indem sie einen echtzeitfähigen Navigationsraum verwirklicht, um raumunabhängig, aber zeitabhängig an entfernten Orten der Realität orientiert handeln zu können. Die funktionale Leitidee des medienvermittelten Sehens mittels Bildern besteht darin, Handlungen bei Fernanwesenheit unter echtzeitfähiger Sichtkontrolle orientiert auszuführen. Sichtbarkeit: primäre und wichtigste funktionale Leitideen für die visuelle Kommunikation mittels Bildern Sichtbarmachen -
sekundäre Leitidee: Medienvermitteltes
Sehen - tertiäre Leitidee: Quelle: telegarden.aec.at/ Beispiele: Quelle: www.northropgrumman.com/
Leitidee 2: Augmented Reality - Ikonisch erweiterte Navigationsräume In der gegenwärtigen Entwicklung erweitert die funktionale Leitidee des medienvermittelten Sehens präsente Handlungsräume um bildhafte Kartographien. Beispielsweise möchte das Frauenhofer Institut ein Augmented Reality System (AR) entwickeln, um Chirurgen eine Planungsgenauigkeit des realen Eingriffs zu ermöglichen (vgl. Goebbels 2002). Das ARSystem soll es dem Chirurgen während der Operation ermöglichen, anatomische Strukturen und den Operationsweg in einem transparenten Display dreidimensional darzustellen und „auf den Patienten“ einzublenden. Die funktionale Leitidee des AR-Systems zielt hier auf die Erhöhung der operativen Genauigkeit, die infolge der verbesserten Raumorientierung des Chirurgen geleistet werden soll. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass medienvermitteltes Sehen in seiner Bildfunktionalität darauf angelegt ist, die Präzision der Handlungen mittels ikonisch erweiterter Navigationsräumen zu erhöhen. Als Erweiterung der Realität fungieren Bilder, wenn sie ein ikonisches Koordinatensystem des präsenten Handlungsraums bereitstellen, um genau diesen für Individuen navigierbar zu machen. Entlang der Leitidee ikonisch erweiterter Navigationsräume (Augmented Reality) bildet die informationelle Gesellschaft gegenwärtig eine weitere Bildfunktionalität aus. Bilder überlagern in ikonisch erweiterten Navigationsräumen (Augmented Reality) ein präsentes Objekt mit deren oder einer anderen ikonischen Repräsentation. Das funktionale Ziel besteht darin, präsente Handlungsräume als ikonisch erweiterte Realität (Augmented Reality) zu semiotisieren, um bildhaft vermitteltes Wissen als konkrete Handlungsanweisung am realen Gegenstand relevant werden zu lassen.Solche ikonisch erweiterten Navigationsräume sind nicht darauf angelegt, einen Gegenstand detailgetreu darzustellen, sondern sie geben ikonisch abstrahierte Navigationspfade vor, wie Akteure ihr Handeln gegenüber dem Gegenstand koordinieren können. Die funktionale Leitidee ikonisch erweiterter Navigation setzt die semantische und pragmatische Semiotisierung der „Realität“ (Augmented Reality) ein, um sowohl die Kontrolle exakter Raumorientierung als auch die präziser Bewegung im Raum zu verwirklichen (vgl. z.B. http://www.hlrs.de/organization/vis/ar). Funktionale Leitidee von ikonisch erweiterter Navigation besteht in: - semantische und
pragmatische Semiotisierung der „Realität“ (Augmented Reality). Bildfunktionalität:
Semiotisierung ikonisch erweiterter Navigationsräume
Leitidee 3: Informationelle Kartographien Was Wissen ist, weiß die Wissenschaft so ungefähr. Geklärt ist indessen, Wissen muss von Individuen und deren Kommunikation gewusst werden. Wenn Wissen nicht gewusst wird, ist es vergessen oder nicht erinnerbar, zu komplex, undurchschaubar, zu langweilig etc. Gegenwärtige Informationsgesellschaften beschreiben ihr Wissen als problematisch. Sie nehmen die inhaltliche Vernetzung und multimediale Aufzeichnungsmenge als so umfangreich wahr, dass ihnen der Eindruck entsteht, das gesamte Wissen kann unmöglich gewusst werden. Auf dieses Problem der Wissenskomplexität reagieren informationelle Gesellschaften mit einer Bildfunktionalität, die Wissensräume mittels Visualisierungen überblickbar machen soll. Nicht das Wissen des Wissens, sondern die Visualisierung des Wissens bietet die erhoffte Lösungsstrategie, die Wissenskomplexität zu managen. Die bildhafte Visualisierung des Wissens folgt der dritten Leitidee von informationellen Kartographien. Sie beinhaltet folgende, drei Funktionalitäten: • Leitbilder als
zeitnahe Orientierung im Wissensüberfluss Die drei Funktionalitäten zeigen die genuine Bildfunktionalität des „Knowledge Mapping“ auf. Diskursives Wissen der symbolischen Sprachen erfährt mit ikonischen Bildern eine Komplexitätsreduktion. Beispielsweise reduzieren bildhafte Kartografien von demografischen Bevölkerungsdaten die Komplexität ihrer wechselseitigen Bezüglichkeiten. Bildhaftes Wissen erreicht damit eine verminderte Rezeptionszeit gegenüber diskursiven Wissensdarstellungen. Zu bedenken ist jedoch, dass bildhafte Kartografien ihre spontane Überzeugungskraft mit dem Preis der Bedeutungsvielfalt und Verlust der internen Negation erkaufen. Trotz der nachteiligen Bedeutungsvielfalt streben multimediale Visualisierungstechniken des Wissens präsentative Kommunikationsformen an. Beispielsweise bildet die Suchmaschine http://www.kartoo.com ein kartographisch dargestelltes Netz der Suchergebnisse, deren diskursives Wissen erst nach ein paar Klicks lesbar wird. Mit dieser Strategie nichtdiskursiver, also präsentativer Wissensdarstellungen verfolgen die Akteure eine Bildfunktionalität, die die Rezeptionsgeschwindigkeit mittels kartographischer Übersicht steigert. Konkret soll die Rezeptionsgeschwindigkeit folgendermaßen erhöht werden: • zeitnahes
Zusammenführen verteilter Wissensstrukturen Präsentative Wissenskartographien möchten die Wissensrezeption beschleunigen, indem ihre ikonischen Darstellungen z.B. verbalisiertes Wissen visualisieren und infolgedessen visuelle Aufmerksamkeit auf ansonsten unüberblickbar Symbolisches gelenkt werden kann. Auf Wissenskomplexität reagiert die informationelle Gesellschaft mit einer Bildfunktionalität, die mittels Visualisierungen ihre Wissensräume überblicken möchte. Primäre
Tendenzen: 2. Nicht Wissen wissen,
sondern Wissen erfahren und emotional bewertbar machen
Leitidee 4: Algorithmische Bedeutungsergänzung Welcher funktionalen Leitidee folgen Bilder hinsichtlich der Bedeutungsinterpretation, wenn sie mittels algorithmisch gesteuerter Computersystemen präsentiert werden? Zunächst gehören Bilder, die mittels Computersystemen sichtbar werden, zur Klasse der Zeichen. Besonderen Stellenwert kommt multimedial vermittelten Bildern zu, weil sie im computerisierten Medium dem Anwender etwas bildhaft zeigen und sie auf einer algorithmischen Programmierung basieren, die auf Eingaben des Anwenders reagiert. Beispielsweise konstruieren Anwender eines multimedial präsentierten Avatars ihre handlungsrelevanten Bedeutungen, indem sie sowohl das visuell Sichtbare als auch das interaktiv Erfahrbare des Computersystems interpretieren. Diese Bedeutungsergänzung von bildhaften Zeichen in Computersystemen resultiert daraus, dass der Anwender sowohl für visuelle Kommunikation als auch für die Mensch-Maschine- Interaktion eine Kompetenz entwickelt hat. Bei der Navigation in Bildern mit einem Bild – z.B. mit einem ikonischen dargestellten Avatar – konstruieren Nutzer die handlungsrelevanten Bedeutungen, indem sie das visuell Sichtbare als auch des interaktiv Erfahrbare interpretieren. Umgekehrt bieten Computersysteme optische und interaktive Eigenschaften an, die von der Hardware und den mathematischen Determinanten der Software abhängig sind (vgl. Nake 2001, 743). Der mir hier wichtige Punkt besteht in der simplen Beobachtung, dass Bilder mit der softwareseitig determinierten Interaktion eine Eigenschaft erhalten, die ihnen zu einer drastischen Bedeutungs- und Funktionserweiterung verhilft. Ikonische Bilder in interaktiven Systemen stellen beispielsweise Bedienungselemente dar, die es Anwendern ermöglicht, Maschinen, Bilderfolgen oder Software in Echtzeit zu steuern. Die grundlegende Funktionserweiterung besteht darin, dass Bilder den Anwender zeitnah darüber orientieren, wie er die interne Repräsentation des Computersystems zu modulieren hat, um eine andere Maschine oder das Computersystem selbst zu steuern. Insofern ist ein ikonisches Bildzeichen in seiner algorithmischen Bedeutungsergänzung dann verlinkt, wenn das Computersystem selbst den bildhaften Teil des Interfaces mit einer anderen Ressource bzw. dem nächsten Bild verbinden kann. Eingangs hatte ich die Bedeutung der Bilder damit beschrieben, dass Bedeutung der interpretierte Begriff ist, der aus optischer Wirkung und visualisierter Interaktionsmöglichkeit mit dem Computersystem resultiert. Hinsichtlich der funktionalen Leitidee von Bildern in algorithmisch gesteuerten Computersystemen frage ich danach, welche softwareseitigen Determinanten die Bedeutungen bewirken, die ein multimedial präsentiertes Bild für den Anwender einnimmt. Ich spreche also die funktionale Leitidee an, dass Computersysteme eine kommunikationswirksame Funktion erfüllen, die hinsichtlich Bilder eine ergänzende Bedeutung (Pragmatik) bewirkt. Was Bilder daher in multimedialen Systemen bedeuten, besteht darin, zu welchen Verhaltensweisen, Handlungen, Interpretationen und kommunikativen Akten sie den Anwender motivieren. Unter dieser pragmatischen Perspektive erfahren Bilder eine algorithmische Bedeutungsergänzung, die sich aus der softwareseitig determinierten Interaktion ergibt. Denn Bilder orientieren den Anwender, wie er die interne Datenverarbeitung des Computersystems zu modulieren hat, um das Computersystem selbst so zu steuern, dass beispielsweise wiederum neue Bilder dargestellt werden. Die algorithmische Bedeutungsergänzung der Bilder hat zur funktionalen Leitidee, dass Individuen handlungspragmatisch orientiert werden, welche Bedeutungen ein Anwender in der Interaktionssituation aktualisieren soll und welche eher nicht. Aus diesem Grund möchte ich im soziologischen Interesse die funktionale Leitidee von Bildern fokussieren, in denen Algorithmen selbst auf die visuelle Kommunikation zwischen Menschen wirken. Solche algorithmisch gesteuerte Kommunikation bietet die Computergrafik im Bereich der animierten und interaktiven Bilder, die ich in der folgenden Leitidee des Bild-Körper-Feedbacks ansprechen möchte. Welcher Bildfunktionalität folgen Bilder in algorithmisch gesteuerten Computersystemen? Was Bilder in multimedialen Systemen bedeuten, besteht darin, zu welchen Verhaltensweisen, Handlungen, Interpretationen und kommunikativen Akten es Anwender motiviert. Navigation in Bildern mit einem Bild – z.B. mit einem Avatar – konstruieren Nutzer die handlungsrelevanten Bedeutungen, indem sie das visuell Sichtbare als auch des interaktiv Erfahrbare
interpretieren. Funktionserweiterung des Bildes: Algorithmische
Bedeutungsergänzung Leitidee 5: Bild - Körper - Feedback Die hervorstechendste Funktionalität von multimedialen Bildern besteht in deren Interaktivität. Interaktivität verleiht Bildern eine Bedeutung, die Betrachter erfahren, indem sie die wie immer geartete Verbindung des Bildes zu etwas anderem durch eigenes Handeln interpretieren. Diese Bedeutung des interaktiven Bildes müssen Betrachter sich einhandeln oder erhandeln, um zu erfahren, mit was das Bild in Verbindung steht. Zwar erkundet ein Betrachter auch nichtinteraktive Bilder durch Wahrnehmungshandeln, doch interaktive Bilder reagieren nicht auf das Gesehenwerden, sondern auf die körperliche Aktion des handelnden Betrachters. Infolge seines körperlichen Handelns steuert der Betrachter selbst, was er im Bild sehen wird. Im einfachsten Fall klickt der Betrachter beispielsweise auf einen Link, um zu sehen, worauf das Bild als Hypermedium verweist. In etwas komplexeren Fällen steuert der Betrachter mit Maus, Joystick, Datenhandschuh oder mittels optischer Bewegungserkennung einen Cursor, der im Bild anzeigt, wie er in diesem etwas bewegen kann. Unterschiedlichste Interfacetechnologien lassen es zunehmend zu, virtuelle Objekte in 3D-Ansichten durch körperliches Handeln zu manipulieren. Die Veränderlichkeit der Bilder durch eigenes, körperliches Handeln skizziert eine weitere, wesentliche Leitidee der interaktiven Bilder. Diese fünfte, funktionale Leitidee der Bildkommunikation besteht darin, dass körperliche Handeln des Betrachters in dem von ihm bedientem Bild selbst sichtbar zu machen. Beispielsweise reagieren manche Interfacetechnologien im Force-Feedback auf den menschlichen Körper, um eben diesen für die Bedeutung des Bildes selbst relevant werden zu lassen. Nicht der unbewegte Körper, sondern ausschließlich der sich bewegende Körper kann die algorithmisch erweiterte Bedeutung des interaktiven Bildes erfahren. Bilder in multimedialen Systemen haben deshalb keineswegs die Interaktivität selbst zu ihrer Leitidee, sondern erst Interaktivität ermöglicht es, die funktionale Leididee des körperlichen Handelns im Bild selbst umzusetzen. Das Involvement des Körpers in interaktive Bilder soll so die Möglichkeit bieten, die Information Richness der bildhaften Darstellungsweise um das potentielle Spektrum menschlicher Sensorik zu erhöhen. Beispielsweise könnte es die immersive Visualisierung verwirklichen, virtuelle Bildräume mit Einhörnern zu erstellen, um diese so realitätsgetreu wie möglich visuell und haptisch wahrnehmbar zu machen. Leitidee: Interfacetechnologien präsentieren bildhafte „Objekte“ in 3D-Ansichten 1. Ikonizität der
Objekte durch körperliches Handeln manipulierbar Bildfunktionalität: - Körperliches Handeln
des Betrachters im interaktiven Bild Leitidee 6: Prosumenten ikonischer Interaktion Im Marketing heißen Konsumenten, die sich an der Produktion eines Konsumgutes beteiligen „Prosumenten“ (Toffler 1980). Ebenso bieten interaktive Bilder dem Betrachter einen Status, der dem des Prosumenten nahe kommt. Ein Prosument interaktiver Bilder ist jemand, der das Bild seiner eigenen Aktivität während des Produktionsprozess selbst konsumiert. An diesem Genuss, die eigene körperliche und voluntative Aktivität als Bilderfahrung zu genießen, partizipieren beispielsweise Anwender (Gamer) bildhafter Computerspiele. Denn Gamern präsentieren sich stets die Bilder, welche sich aus der Blickrichtung des Suchers, des Avatars oder des Mauszeigers ergeben. Die soziologische Perspektive zeigt, warum die funktionale Leitidee der Prosumenten ikonischer Interaktion in informationellen Gesellschaften relevant wird? Erkennbar ist zunächst, dass interaktive Bilder nicht primär dafür verwendet werden, eine Religion oder Moral zu vergegenwärtigen wie noch zur Zeit der ideellen Kunst. Ebenfalls besteht ihre Funktion gegenwärtig selten darin, wie es zur Zeit der realistischen Kunst bezweckt wurde, über Wiederholbares bzw. Reales zu benachrichtigen. Die Leitideen interaktiver Bilder präferieren eine Bildfunktionalität, die den Betrachter selbst als Produzenten seines eigenen Konsumgutes „Bild“ etabliert. D.h. in interaktiven Bildern – z.B. in 3D-Spielewelten sieht der Betrachter die Bilder, die er selbst kraft seiner Subjektivität während des Spiels „produziert“ bzw. generiert. Der Prosument ikonischer Interaktion kommuniziert kaum mit Zeichen, die der Produzent entworfen hat, sondern er kommuniziert mit Zeichen, die er subjektiv erzeugt, indem er durch den bildhaft präsentierten Raum navigiert. Zweifelsohne hat der Produzent die Algorithmen programmiert, die das mögliche Spektrum des Bildraums erzeugen, trotzdem generiert das Computersystem vielfältigere Bilder als der Produzent es je absehen konnte. Doch der Prosument ikonischer Interaktion soll immer das Gefühl haben, durch seinen Willen wird das Bild erst real. In dieser suggestiven Kraft des Prosuming ikonischer Interaktion besteht dessen Bildfunktionalität. Konsumenten eines unter Mitbeteiligung erstellten Konsumgutes heißen in der Sprache des Marketing „Prosumenten“. An dem Genuss, die
eigene voluntative Aktivität als Bilderfahrung zu konsumieren,
partizipieren z.B. Anwender bildhafter Computerspiele. Bildfunktionalität: Ikonische Interaktion
etabliert Prosumenten, deren Aktionen im ikonischen Raum sie selbst als
Bilderfahrung konsumieren. Leitidee 7: Individualisierte Bildsemantik Die visuelle Kommunikation mittels interaktiver Bilder zieht eine Bildfunktionalität nach sich, die den Betrachter als körperlich Handelnden einbezieht. Im zweiten, doch zeitgleichen Schritt zielt die Bildfunktionalität interaktiver Bilder darauf, die soziale Individualisierung der Betrachter zu berücksichtigen. Interaktive Bilder sollen sich abhängig vom Betrachter verändern. Von ihnen wird keineswegs wie von passiven Bildern erwartet, dass sie unabhängig vom Betrachter als solche alltagspragmatisch identisch bleiben. Vielmehr bezwecken interaktive Bilder unter der funktionalen Leitidee des Prosumenten, dass sie auf den Betrachter reagieren und diesem etwas so zeigen, wie er seinen individuellen Weg durch das bildhafte Hypermedium wählt. Auf diese Weise verfolgten informationelle Gesellschaften mittels Interaktivität eine Bildfunktionalität, die darauf angelegt ist, sich auf die Individualisierung des Betrachters und dessen subjektiven Orientierungsbedürfnis einzustellen. Im Bereich der Fertigungstechnologien heißt die konsumentenorientierte Produktion von individualisierten Konsumgütern bereits Mass Customisation. Dem Prinzip der Mass Customisation gehorcht bildhafte Kommunikation, wenn Individualität als subjektive Perspektivenwahl mittels des Computersystems generiert werden kann. Beispielsweise erwählt sich der Betrachter die subjektive Perspektive, sobald er willkürlich durch einen hypermedialen Bildraum surft, der sich in Abhängigkeit seiner Aktion aufbaut. Zweifellos lässt sich die Wahl einer subjektiven Perspektive nur soweit einnehmen, wie es das Computersystem erlaubt. Und genau diese Beschränkung zeigt einen funktionalen Sinn von hypermedialen Bildräumen: Interaktive Bilder, die oft 3D-Räume darstellen, ermöglichen es, zeitgleich kollektiv verbindliche Interaktionen zwischen Teilnehmern aus subjektiver Perspektive wahrzunehmen. Oder anders gesagt: Infolge der Interaktivität verwirklicht es sich der Bildbetrachter, seinen Willen sowie seine subjektive Orientierung in den Betrachtungskontext des kollektiv sichtbaren Bildes zu involvieren. An diesem Genuss, die eigene voluntative Aktivität als Bilderfahrung zu konsumieren, partizipieren z.B. Akteure des Computerspiels „Dark and Light“. Sie erbauen ihre ikonische „Welt“ auf zunächst 40.000 „km²“ des virtuellen Raums in Bildern. Innerhalb der Leitidee der individualisierten Bildsemantik schaffen sich Individuen ihre Vorbilder, um Identität funktional zu kommunizieren. Individualisierung der Bildsemantik Individualisierungsdruck als Prinzip der Mass Customisation in Lebenswelten Bildfunktionalität: Individualisierung der ikonischen Bildsemantik als multimedialer Lebensstil im kollektiv verbindlichen u. interaktiven Handlungsraum
Jeder meiner ikonischen „Räume“ bezeichnet mich! Leitidee 8: Optionale Handlungsräume Die gegenwärtige, visuelle Kommunikation fordert von Bildern vollständig neue Funktionalitäten. Einerseits übernehmen Bilder in multimedialen Systemen ihre traditionelle Bezeichnungsfunktion und andererseits übernehmen sie als ikonisches Interface eine direkte Steuerungsfunktion. In dieser Doppelfunktion bezeichnen multimediale Bilder dasjenige, was man mit ihnen steuern kann. Beispielsweise führt die Benutzungsoberfläche des MP3-Players „Winamp“ vor, wie bildhafte Zeichen eine Music Box darstellen, mit der sich die Abspielmodalitäten digitalisierter Musikfiles lenken lassen (vgl. www.winamp.com). Das interaktive Bild des Winamp-Players stellt einen ikonischen Handlungsraum bereit, dessen semiotische Funktion es Anwender erlaubt, das Bild als den zeichenvermittelten Teil eines Interfaces zu verwenden. Dabei wird einerseits der kommunikative Beziehungsaspekt relevant, wie sich die ikonische Benutzungsschnittstelle des Computersystems in lebensweltorientierter Weise auf den Anwender beziehen soll. Und andererseits soll der funktionale Inhaltsaspekt gewährleisten, dass das Bild als Interface dem Anwender kommuniziert, wie er das Computersystem bedienen kann (Usability). Seit dem Mauszeiger auf dem Screen gehören die Steuerungsfunktionen ikonischer Bilder zu den alltäglicheren Anwendungen. Doch der Mausanzeiger auf dem ikonischen Interface ist vorrangig auf den Inhaltsaspekt der Kommunikation konzentriert. Soziale Aspekte, die im Beziehungsaspekt der Kommunikation auftreten, bedient der Inhaltsaspekt kaum. Den Konsumentenwünschen nach sozialer Ausdifferenzierung und Identität (Socialware) kommt das ikonische Interface in seiner ureigenen Veränderbarkeit seit neustem entgegen. Die innovative Funktion im sozialen Beziehungsaspekt übernimmt das ikonische Interface gegenwärtig, sobald z.B. 1500 unterschiedliche Bilder als ikonische „skin“ (Haut) für identische Steuerungsfunktionen eingesetzt werden können. Ikonische Skins stellen bildhafte Handlungsräume bereit, die sich optional an die jeweiligen lebensweltorientierten und funktionalen Bedürfnisse der Anwender anpassen lassen. Als bedienbare Bilder bieten diese optionalen Handlungsräume, die nicht Wahrheit, sondern Sinn (skin) als handlungspragmatische Anschlusswahrscheinlichkeit anbieten. Worin besteht die funktionale Leitidee der Bilder als Interface? Sie charakterisiert sich dadurch, dass Bilder als optionale Handlungsräume sich ihrer jeweiligen Lebensweltgruppe adaptiv anpassen, um im Kontakt zur Socialware der jeweiligen Community zu sein. Das ikonische Bild in multimedialen Systemen bietet Zeit und Raum als regulierbare Option virtueller Realität. Das Bild übernimmt als visuelle Skin der Mensch-Maschine- Schnittstelle eine Funktionalität, die das ”im Bild sein” weiter perfektioniert. Um die bildhafte Skin zu verstehen, bedarf es nicht der Schriftkundigkeit, sondern der Unbedarftheit zeichenhafte Regler und Knöpfe zu bedienen und die Wirkung im Bild selbst oder woanders abzuwarten. Passiert nichts, wird die Vermutung bestärkt, bildhafte Zeichen wären beliebig manipulierbar, aber bedeutungslos für die eigene Realität. Multimediale Bildformen präsentieren: - Realitäten in Zeit
und Raum auf Bedürfnisse des medienvermittelten Sehens einstellbar Bildfunktionalität der
ikonischen Handlungsräume: Leitidee 9: Ikonische Koevolution Auf Datenkomplexität reagieren Entwicklungen des Wissensmanagements gegenwärtig mit dem Einsatz ikonischer Bilder. Bilder sollen für das Wissensmanagement das leisten, was Ben Shneiderman in seinem ”visual information-seeking mantra” bereits formulierte: ”Overview first, zoom and filter, then details on-demand.” (vgl. Shneiderman 1987) Die Techniken der Datenvisualisierung legen es darauf an, mittels bildhafter Präsentationsformen auf ein ”Wissen” zu blicken, welches in diskursiven Symbolen kaum ad hoc zu durchschauen ist. Aber Bilder sollen nicht ausschließlich Durchblick gewährleisten, sondern sie sollen Veränderungen messbarer Realitätskonstruktion reagibel und äußerst zeitnah darstellen. Beispielsweise übernehmen Bilder die Aufgabe, auf technische, soziale und semantische Vernetzungen mittels der sogenannten Network Visualisation zu reagieren (z.B. www.kartoo.com). Oder sie zeigen z.B. wie bei www.smartmoney.com mittels einer reagiblen Treemap alle 15 Minuten an, welchen Trends ca. 500 Aktien an der amerikanischen Börse unterliegen. Die funktionale Leitidee der ikonischen Koevolution von Bildern besteht darin, genau das in ikonische Darstellungsweisen zu überführen, was ohne Bilder nicht in den Focus der jeweiligen, beobachtenden Sozialsysteme gekommen wäre. Um die Bildfunktionalität bereitzustellen, orientiert sich die Leitidee ikonische Koevolution an der Funktionalität von Netzen (vgl.: Gleich 2002, 68f). Die Funktionalitäten ikonischer Koevolution leisten Bilder in multimedialen Systemen durch folgende Eigenschaften: • Echtzeitfähige
Reagibilität und Simulation der bildhaften Darstellung Die funktionale Leitidee ”Ikonischer Koevolution” orientiert Sozialsysteme dahingehend, dass Datenbestände sekundär mittels Sprache analysiert werden, und primär über die Erregungen von visueller Aufmerksamkeit und emotionaler Interpretation zu pragmatischer Bedeutung gelangen sollen. Vor der Erregung gerichteter Aufmerksamkeit steht zweifelsohne die grundsätzliche Funktionalität, dass ikonische Datenvisualisierungen in koevolutionärer Abhängigkeit reagibel zu den Daten stehen, um stets aktuellen Bezug darzustellen. ”The visual information-seeking mantra is: Auf technische, soziale und semantische Vernetzungen reagieren Bilder der Network Visualization Visualization. Trotz nachteiliger Bedeutungsvielfalt streben Visualisierungstechniken des Wissens präsentative Kommunikationsformen an, um den Überblick zu bieten.
Network Visualization Visualization beinhaltet die
Bildfunktionalität: Ikonische Koevolution Leitidee 10: Dramaturgisches Handeln in interkultureller Kommunikation Die zehnte, funktionale Leitidee der Bildverwendung bezieht sich auf die pragmatische Emotionalisierung bei interkultureller Kommunikation. Die seit Jahrhunderten bekannte Macht der Bilder, ihre Betrachter emotional anzusprechen, transportieren ebenfalls Hypermediasysteme. Die Strategie ist einfach, da bekannt: Bilder können weitgehend ohne adäquates Verständnis ihrer symbolischen Botschaft wahrgenommen werden und auf diese Weise ihre emotional ansprechende Dramaturgien entfalten. Interaktive Bilder vom Mars emotionalisieren beispielsweise ihre Betrachter weltweit. Zweifelsohne lassen sich nicht alle Betrachter durch Bilder auf identische Weise emotionalisieren. Vielmehr hängt die emotionalisierende Wirkung bzw. die Bedeutungsinterpretation von der kulturellen Sozialisation des Betrachtes und dessen jeweiligen Befindlichkeit ab. Und trotzdem kommunizieren Bilder ihre ikonischen Bezeichnungen interkulturell einsichtig, worin ihre funktionale Leitidee der dramaturgisch inszenierten Bildkommunikation liegt. Die ikonische Bildkommunikation immunisiert sich gegen sprachliche Konsens- und Kommunikationsbemühungen. Dadurch entfaltet sie ihre ureigene Dramaturgie, die es vermag, sich gegen kulturelle Bezeichnungsbarrieren sowie objektivierende und normative Handlungsorientierungen durchzusetzen (vgl. Habermas 1988: ”dramaturgisches Handeln”). Bilder bieten damit Kommunikation, die als sinnvoll erfahren wird, ohne dass sie logische Widersprüche innerhalb im Konglomerat der informationellen Weltgesellschaft provoziert. Die zugrundeliegende, funktionale Leitidee hinsichtlich der Dramaturgie interkultureller Bildkommunikation ist schlicht folgende: Emotionsmotivierende Sinnorientierung soll sich ohne logische oder kulturelle Widersprüche innerhalb der informationellen Weltgesellschaft kommunizieren lassen. Die Kriegsberichterstattungen mittels Bilder verweisen die rebellische bzw. verschleiernde Funktionalität, die zu der es spontan meist an Gegenbildern fehlt. Dramaturgisches Handeln beschreibt, wie ein Akteur seine
innenweltliche Subjektivität so in der Außenwelt zur expressiven Äußerung
formiert, dass diese anderen indiziert, wie ihm wiederum etwas subjektiv
Emotionales zugerechnet werden kann. Im vorsymbolischen Tun ikonischer Interaktion immunisieren
sich Akteure: Bilder in Hypermediasystemen erwecken ihre emotionalisierende Bedeutung in dramaturgischer ”Selbst”-Inszenierung kraft ihrer ikonischen Präsenz im Interface
Bildfunktionalität: Resümee: Funktionale Leitideen multimedialer Bilder Meine Ausgangsfrage war: Wie prägen sich funktionale Leitideen der informationellen Gesellschaften in der multimedial vermittelten Bildkommunikation aus? Mit dem Vorschlag von zehn funktionalen Leitideen antworte ich auf die Frage, obwohl auch andere Leitideen aufzufinden sind. Ganz gleich welchen funktionalen Leitideen multimediale Bilder folgen, können Bilder eine Antwort auf eine Frage bieten, die in Verbalisationen noch nicht formuliert wurde. Allen zehn funktionalen Leitideen liegt zugrunde, dass sie sich an Weltkonstruktionen beteiligen, die mit sprachlichen Konstruktionen nicht mit gleicher Geschwindigkeit entwickeln lassen. Ebenfalls dient Bildkommunikation gegenwärtig den beschleunigten sowie inhaltlich gesteigerten Daten- bzw. Wirklichkeitsanalysen der sozial konstruierten Welt. Allerdings bleiben die Bedeutungen als auch die Leitideen der Bilder nie stabil. Jede Gesellschaft bestimmt im Gebrauch der Bilder, welche Leitideen in jeweiligen Verwendungskontexten bedeutsam werden. Gegenwärtig kompensieren Bilder die Risiken des negierbaren Wissens (Logik) im Vertrauen darauf, trotz Wissensdefiziten in multikulturellen Weltbildern handeln zu können. Regeln des Semantik Web: Bilder kompensieren die Risiken des negierbaren Wissens (Logik) im Vertrauen darauf, trotz Wissensdefiziten in multikulturellen Weltbildern handeln zu können.
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