Die meinem Buch
zugrundeliegenden Überlegungen versuchen "alle" Bilder anzusprechen,
die aus Verwendungskontexten der visuellen Kommunikation bekannt sind. Zweifelsohne
wäre die gemeinte Variationsbreite zu umfangreich, wenn "alle"
Bilder im einzelnen betrachtet oder kunsthistorisch eingeordnet werden würden.
Die Überlegungen knüpfen aufgrund dieser Vielfalt nicht an bestimmte
Bilder an. Vielmehr gelten sie einerseits den sozialen Systemen, in denen
Bilder heutzutage als Kunst, Freizeitmalerei, Kult, Fernsehen, Werbung,
Erinnerungsfotografie, Kino oder wissenschaftliche Untersuchungsmethode
erwartet werden, und andererseits beziehen sie sich auf kulturelle Voraussetzungen,
die Bilder aus zeichentheoretischer und wahrnehmungspsychologischer Sicht
schaffen, um zwischenmenschliche Verständigung im visuellen Bereich
zu ermöglichen.
Für welche Fragen sind Bilder die Antwort? Wir kommunizieren zwar mittels
Bildern, aber das, was wir von ihnen erfahren, nehmen wir häufiger
unbefragt als befragt in Anspruch. Aus diesem Grund orientiere ich meine
Überlegungen an folgenden Fragen: Wie gelingt visuelle Kommunikation?
Wie wissen Bilder etwas von etwas? Welche Gedächtnisleistung erbringen
Bilder für eine Kultur und welche für eine Gesellschaft? Worin
liegt die kulturelle Bedeutung von Bildern?
Um diesen Fragen nachzugehen, zeige ich im ersten Teil meiner Arbeit, wie
leistungsfähig sich die Semiotik von C. S. Peirce darin erweist, bildhafte
Zeichen in ihren syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen
zu analysieren.
Der zweite Teil stützt sich auf den semiotischen Rahmen, der mit dem
von Peirce begründeten Pragmatismus" formuliert wurde. Nachdem
hier das Verhältnis von visueller Wahrnehmung, Sprache und Bildern
in Verbindung mit psychologischen Forschungsergebnissen detailliert untersucht
wurde, entwerfe ich eine grundlegende Unterscheidung zwischen visueller
Information" und kommunikativer Nachricht". Daran schließt
sich eine Argumentation an, die darlegt, daß die Wahrnehmung visueller
Informationen nicht beinhaltet, daß bereits Kommunikation vorliegt.
In der weiteren Auseinandersetzung mit Hypothesen von Y.Lotmann und M. Halbwachs
zeigt die theoretische Analyse, wie Bildkultur als Gedächtnis in Gesellschaften
vorkommt und an was sie diese erinnern kann. Insbesondere das Vergessen
von Bedeutungen sticht als eine Eigenschaft der Bildkultur als Gedächtnis
hervor. Dieser Annahme gehen Vorschläge voran, wie und wann bildliche
Formen einen Sinn und eine Konvention erlangen, um ein Wissen über
Ähnlichkeiten behaupten zu können. Aussagen von P. Bourdieu, M.
Foucault, N.Goodman und M. Weber finden dabei besondere Berücksichtigung.
Der dritte Teil problematisiert zunächst Tendenzen gegenwärtiger
Bildverwendung und thematisiert anschließend, mit welchen Bedeutungen
die Kultur der Bilder in der Systemintegration (N. Luhmann) und mit welchen
sie in der Sozialintegration (J.Habermas) belegt werden kann. Es werden
Antworten auf die Frage gefunden: Was bedeutet das Bild in der Gesellschaft?
Beispielsweise kennzeichnet das dramaturgische Handeln eine herausragende
Bedeutung der Bildkultur. Denn für diese Handlungsmotivation eignen
sich Bilder besonders, weil sie der dramaturgischen Selbstinszenierung ein
Medium bieten, das einem innenorientierten Darstellungswillen nahezu keine
konventionellen Grenzen setzt. Gleichzeitig läßt dieser mögliche
Nonkonformismus die Gefahr erkennen, daß Individuen mit Bildern lediglich
Kommunikation spielen und sich zum Spaß verstehen, indem sie diskursive
Verständigungsmechanismen umgehen und ihr projektives Miterleben als
Verstehen interpretieren.
Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1997, VIII, 379 Seiten, 9
Abb., ISBN 3-8244-4236-1
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